Biestow

Informationen zur Stadtplanung von Biestow

Ihr erinnert euch sicherlich noch an „Groß Biestow“ und die damit verbundenen Diskussionen – Immerhin sorgte die damalige Einladung der Stadtverwaltung dafür, dass weit über 1.000 Menschen in die Stadthalle kamen und sich die Planungen anschauten. Und auch wenn „Groß Biestow“ als Gesamtprojekt schon vor Jahren vom Tisch gewischt schien, kamen regelmäßig immer wieder Teile der ursprünglichen Ideen zurück. Dies ist auch aktuell der Fall: Denn mit der Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes – der aktuell beispielsweise auch die Überplanung sämtlicher Gärten bei der Mensa zur Disposition stellt – wird die Entwicklung des Großraumes in und um Biestow neu diskutiert. Hier gilt es sehr genau zu schauen und mit Augenmaß zu entscheiden, was den notwendig und zugleich zumutbar ist.

Zur letzten Bürgerschaftssitzung bereitete nun die Stadtverwaltung eine Art historische Rückschau zu den stadtplanerischen Ideen bzgl. Biestow vor. Diese sind durchaus lesenswert, da diese als Roter Faden gesehen werden sollten, wie sich die Perspektiven einzelner Interessensgruppen unterscheiden – Mut macht dabei die aktuell gültige Einschätzung, dass das „aus dem Boden stampfen“ eines neuen Stadtteils eher kritisch zu sehen sein. Doch lest doch einfach selbst: Nachfolgend liste ich euch den Originaltext der Informationsvorlage 2023/IV/4512 auf:


2006-2015 – Entstehungsgeschichte

Die Flächen im Bereich Biestow, von der Satower Straße im Nordwesten bis zur historischen Dorflage und dem sich anschließende Wohngebiet Biestow an der Nobelstraße im Osten, sind seit Jahren im Fokus der Rostocker Stadtentwicklungsplanung. Bereits der wirksame Flächennutzungsplan (FNP) aus dem Jahr 2006 stellt hier große Gebiete als Wohnbauflächen dar (siehe Anlage 1). Aktuell wird das Wohngebiet Kiefernweg realisiert. Für ein weiteres Wohngebiet an der Nobelstraße wird derzeit ein Bebauungsplan aufgestellt. Für die Wohnbauflächen rund um den Kringelhof gibt es bislang keine verbindliche Bauleitplanung, da im Ergebnis einer 2015/16 durchgeführten Verkehrsuntersuchung festgestellt wurde, dass für deren bauliche Entwicklung ein Ausbau der Verkehrsanbindung erforderlich ist. Demnach sind der Ausbau der Satower Straße sowie eine zusätzliche Anbindung an den Südring notwendig.

Mit der Bevölkerungsprognose aus dem Jahr 2016 wurde der Hanse- und Universitätsstadt Rostock zugleich ein enormes Bevölkerungswachstum vorhergesagt. So ging man zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass bis 2035 zusätzlich zu den bestehenden Wohnungsbaupotenzialen des FNP etwa 17.000 weitere Wohnungen in der Stadt benötigt werden.

Vor dem Hintergrund der sehr aufwändigen und kostenintensiven Erschließung der Biestower Flächen und der großen zusätzlichen Nachfrage nach Wohnraum in der Stadt wurde 2016 erstmals darüber nachgedacht, hier einen größeren, eigenständigen Stadtteil zu entwickeln. Ein großer Anteil der Flächen befindet sich im Zugriff der Hanse- und Universitätsstadt Rostock und stünde somit für eine wohnbauliche Entwicklung zur Verfügung. Über die Möglichkeiten und Hürden einer solchen städtebaulichen Entwicklung wurde in einer Informationsveranstaltung mit etwa 2.000 Teilnehmenden im November 2016 öffentlich diskutiert.

2016 – Planungsabsichten für den Stadtteil

Anlage 2 zeigt einen Plan, der in der öffentlichen Informationsveranstaltung 2016 präsentiert wurde. Hier wurden erste Ideen für eine mögliche Bauflächenkulisse in unterschiedlicher Bebauungsdichte und ein möglicher Verlauf von Erschließungstrassen aufgezeigt. Es wird eine verkehrliche Spange von der Nobelstraße bis zur Satower Straße sowie eine zusätzliche Anbindung in Richtung Norden an den Südring vorgeschlagen. Eine Straßenbahnverbindung von der heutigen Wendeschleife an der Nobelstraße (Haltestelle Südblick) wäre auf diesen Trassen sowohl bis zur Wendeschleife am Südring (Haltestelle Campus Südstadt) als auch bis zur Rennbahnallee (Haltestelle Neuer Friedhof) denkbar.

Zu diesem Zeitpunkt wurde die Entwicklung von Bauflächen für bis zu 7.000 Wohneinheiten entlang dieser Haupterschließungstrassen vorgeschlagen, wobei die historische Dorflage Biestow freigestellt würde. Zudem sollte im zentralen Bereich eine großzügige, grüne Landschafts- und Frischluftachse freigehalten werden. Im Bereich des Kringelhofs wurde die Entwicklung eines Stadtteilzentrums mit hoher Bebauungsdichte empfohlen.

Mit der Entwicklung eines eigenständigen Stadtteils sollten Flächen für Wohnen, Arbeiten, Versorgung und soziale Einrichtungen, Freizeit und Erholung an einem Standort gebündelt und somit Verkehre reduziert und urbane Dichten entwickelt werden. Der Stadtteil sollte unter den neuesten ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten realisiert werden. Die Umsetzung moderner Wohn- und Arbeitsformen würde damit an einem Standort in einem ganzheitlichen Konzept unter Berücksichtigung verschiedenster Nachfragegruppen erfolgen. Dabei müssten wirtschaftliche Verkehrsanbindungen ebenso berücksichtigt werden wie ein umfassendes ÖPNV-Angebot, ergänzt durch Formen moderner und nachhaltiger individueller Mobilität. Mit der ganzheitlichen Planung sollte die Anbindung an die Südstadt und die Innenstadt effektiv und nachhaltig realisiert werden sowie Verkehrsströme auf ÖPNV und nicht-motorisierten Verkehr gelenkt werden.

Gleichwohl wurde der externe Erschließungsaufwand für diesen Standort aufgrund der langen zusätzlich benötigten Trassen als sehr hoch eingeschätzt. Auch aus umwelt- und naturschutzfachlicher Sicht werden weite Teile des Landschaftsraums auch heute als sehr wertvoll eingeschätzt (ca. 50 %), begründet durch die Vielzahl geschützter Biotope und kleinerer Stand-/Fließgewässer. Sie stellen bedeutsame Flächen des Biotopverbundes dar und begründen die zu erhaltende Freiraumachse.

Weitere Teile des Landschaftsraums werden als wertvoll eingestuft und umfassen u.a. Flächen der Trinkwasserschutzgebietszone III, bedeutsame Kaltluftproduktionsflächen sowie Böden mit Bodenfruchtbarkeiten über dem Landesdurchschnitt. Die dort befindlichen Kleingartenanlagen „Damerow“, „Rostocker Greif e. V.“, „Satower Straße“ und „Bei den Akazien e. V.“ besitzen eine Bedeutung für die Mitversorgung benachbarter Stadtbereiche (Hansaviertel, KTV) mit Kleingartenparzellen. Zudem besitzt der Landschaftsraum einen hohen Wert für das Landschaftsbild.

Es gilt die umwelt- und naturschutzfachlichen Belange im Verfahren zu betrachten.

Parallel zu diesen Überlegungen hatten sich zwischenzeitlich mehrere Bürgerinitiativen gegen eine bauliche Entwicklung in Biestow gegründet. Nach der öffentlichen Vorstellung der ersten Planungsabsichten für den Raum Biestow wurde ein Beirat zur Begleitung des Vorhabens ins Leben gerufen. Ein Beirat ist eine besondere Form der Bürgerbeteiligung und ersetzt nicht gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsformen. Der Biestow-Beirat setzt sich zusammen aus VertreterInnen der Politik und Verwaltung sowie Bürgerinitiativen und Interessensverbänden, VertreterInnen aus dem Wohnungswesen, der Universität und EinwohnerInnen.

2018 – Stadtteiluntersuchung im Rahmen der Neuaufstellung der FNP-Szenarien

Ausgehend von der zu erwartenden Bevölkerungszunahme mit ihrer Entwicklungsdynamik in vielen Bereichen sowie vor dem Hintergrund der ebenfalls stark steigenden Nachfrage nach gewerblichen Bauflächen und den Entwicklungsabsichten für den Überseehafen zeichnete sich 2016 ab, dass der gegenwärtig rechtswirksame Flächennutzungsplan die zukünftig notwendige Entwicklung nur noch unzureichend abbildet.

Das Schrittmaß, mit dem sich Rostock entwickeln sollte, bedurfte einer ganzheitlichen und zusammenhängenden Betrachtung. So wurde die Bürgerschaft zunächst über die beabsichtigte Neuaufstellung des FNP informiert (Vorlage Nr. 2016/IV/1959). Im Juli 2017 wurde daraufhin von ihr der Beschluss zur Neuaufstellung gefasst (Vorlage Nr. 2017/BV/2735).

Die Vorüberlegungen zur Entwicklung eines neuen Stadtteils in Biestow wurden seither im gesamtstädtischen Zusammenhang und damit im Abgleich zu alternativen Standorten und Verteilungsmodellen weiterverfolgt. Im Jahr 2018 wurden im Rahmen einer frühen informellen Beteiligung der Öffentlichkeit, dem sogenannten „Stadtdialog zum Zukunftsplan“, verschiedene Szenarien zur Verteilung der Bedarfe an Wohn- und Gewerbeflächen im Stadtgebiet diskutiert. Im Wesentlichen wurde dabei zwischen der Verteilung der Bedarfe auf viele kleinere Bauflächen und der Konzentration in einem oder sogar mehreren großen Stadtteilen unterschieden.

Als mögliche Standorte für einen neuen Stadtteil wurden neben Biestow nun auch Evershagen und Lichtenhagen betrachtet. Aus städtebaulicher und verkehrlicher Sicht wurde dabei dem Raum Biestow klar der Vorrang eingeräumt. Dies begründete sich vorwiegend mit der räumlichen Nähe zur Innenstadt und den günstigen Rahmenbedingungen für eine Anbindung an das bestehende Verkehrsnetz. Im Vergleich zu den anderen potenziellen Stadtteil-Standorten wurde die Möglichkeit einer Straßenbahnerschließung hier als am besten eingeschätzt, so dass der Stadtteil mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes sehr gut erreichbar wäre.

Allerdings sind die Flächenpotenziale am Standort Biestow im Gegensatz zu den anderen beiden Standorten, an denen auch eine kleinteiligere bauliche Ergänzung der bestehenden Stadtteile möglich wären, nur in ihrer Gesamtheit entwickelbar. Weitere Ergänzungen können ohne die zusätzlichen Verkehrsanbindungen nicht realisiert werden.

Aufgrund des 2016 sehr hoch prognostizierten Wohnraumbedarfes wurde in der Entwicklung eines neuen Stadtteils die Chance gesehen, in möglichst flächen- und ressourcensparender Weise ein urbanes Quartier für einen Großteil der zu erwartenden Einwohnerzahl entwickeln zu können. Zur Deckung des Bedarfs von 17.000 Wohneinheiten würde ein Stadtteil allein jedoch nicht ausreichen.

Es sollten parallel dazu weitere Baugebiete entwickelt werden, deren Umsetzung wesentlich schneller zur Deckung der drängenden Bedarfe dienen würden und damit ein ausreichendes Maß an Flexibilität gewährleisten könnten.

2020 – Änderung der Rahmenbedingungen und Risiken einer Stadtteilplanung

Im Jahr 2020 wurde die Bevölkerungsprognose planmäßig aktualisiert und deutlich nach unten korrigiert. Der zusätzliche Bedarf reduzierte sich auf 8.400 Wohneinheiten.

Die Planung und Umsetzung eines ganzen Stadtteils birgt damit hohe Risiken. Die Wachstumsprognose reicht gerade für die alleinige Entwicklung des Stadtteils Biestow aus, doch auf Änderungen der Bedarfsberechnungen könnte mit dem neuen FNP dann kaum reagiert werden. Für die Stadtentwicklung der nächsten Jahre bedeutet diese Konzentration auf nur einen Standort einen hohen Verlust an Flexibilität. Aktuell bereits bestehende Bedarfe könnten damit in naher Zukunft nicht gedeckt werden, denn dazu reichen die Reserven des wirksamen FNP nicht aus. Auch eine Flexibilität im Hinblick auf eine schrittweise Entwicklung in Abhängigkeit von sich ändernden Bedarfen wäre mit der Planung eines gesamten Stadtteils nicht mehr gegeben. Dieser müsste eine Mindestgröße von etwa 5.000 Wohneinheiten aufweisen, um die hohen Investitionen in die notwendige verkehrliche Erschließung und Ver- und Entsorgung sowie die Anlagen des Gemeinbedarfs zu rechtfertigen und kann letztlich nur in seiner Gesamtheit funktionieren. Es bleibt das Risiko einer Überdimensionierung.

Zudem muss sichergestellt sein, dass die Entwicklung mit aller Konsequenz erfolgt. Als wesentliche Rahmenbedingung müsste die öffentliche Infrastruktur mit Beginn des Wohnungsbaus bereits zu großen Teilen realisiert sein. Dies bedeutet hohe finanzielle und organisatorische Anforderungen an die Erschließung des Stadtteils. Die Entwicklung müsste zügig und stetig erfolgen. Verzögerungen könnten die Umsetzung gefährden. Es müsste eine Priorisierung des Standortes in allen planenden Strukturen der Hanse- und Universitätsstadt Rostock (Verwaltung, Erschließungs- und Versorgungsträger, Wohnungsbauunternehmen usw.) erfolgen. Das heißt, dass hier personelle, finanzielle und organisatorische Ressourcen konsequent auf dieses Vorhaben gebündelt werden müssten. Die Stadt müsste in großem Maßstab in investive Vorleistungen gehen, womit ein hohes Risiko einhergeht.

Mit den aktuell in Planung befindlichen großen Quartieren wird bereits ein großer Teil des prognostizierten Bedarfs an Wohnungen im Geschosswohnungsbau bedient. Diese Quartiersentwicklungen haben jedoch nicht den Umfang eines eigenständigen Stadtteils, sondern integrieren sich in bestehende Strukturen. Dazu zählt beispielsweise das Baugebiet am Südring („Groter Pohl“) in der Rostocker Südstadt. Hier können etwa 1.000 Wohneinheiten entstehen, welche bereits als Innenentwicklungspotenzial vom Gesamtwohnraumbedarf abgezogen wurden. Auch die Planungen für das Werftdreieck für etwa 700 Wohnungen oder das Warnow-Quartier im Bereich des Osthafens mit voraussichtlich etwa 900 Wohnungen sind bereits weit fortgeschritten. Die zuvor beschriebenen Qualitäten eines eigenständigen Stadtteiles können aufgrund der geringeren Anzahl an Wohneinheiten an diesen Standorten nicht erreicht werden.

Von der Entwicklung eines Stadtteils in Biestow wären zudem auch Kleingärten betroffen, da zumindest für die verkehrliche Erschließung für den Straßen- und Straßenbahnanschluss an das bestehende Netz Teile von Kleingartenanlagen in Anspruch genommen werden müssten.

2023 – Diskussionsstand zum Umgang mit den Potenzialflächen im Raum Biestow

Nach der angepassten Haushalts- und Wohnraumnachfrageprognose in 2020 ist die Entwicklung eines Stadtteils aufgrund der genannten Risiken kritisch zu sehen. Die Verwaltung empfiehlt daher die Verteilung der zusätzlichen Flächenbedarfe im gesamten Stadtgebiet. Hinzu kommt, dass eine detaillierte Betrachtung der Innenentwicklungspotenziale sowie die Erhöhung der baulichen Dichten in laufenden Bebauungsplangebieten im Jahr 2023 ein zusätzliches Wohnraumpotenzial im Bestand ergab, wodurch nur noch ein Bedarf von etwa 4.700 Wohneinheiten im neuen FNP zu sichern ist. Damit wird die Mindestgröße für die Entwicklung eines Stadtteils von 5.000 Wohneinheiten nicht mehr erreicht.

Um die Inanspruchnahme so gering wie möglich zu halten, wird von der Verwaltung geprüft, Teilbereiche im Raum Biestow im zukünftigen FNP als „Vorsorgeflächen“ darzustellen. Demnach würden hier keine Bauflächen dargestellt werden, sondern lediglich auf vorhandene, langfristig für eine bauliche Entwicklung geeignete Flächen hingewiesen werden, die von konkurrierenden Nutzungen oder Entwicklungen weitgehend freizuhalten wären, um auch über den Zeithorizont des neuen FNP hinaus geeignete Flächen für die Stadtentwicklung vorzuhalten.


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