Bericht zur Bürgerschaftssitzung, 26.02.2025
Angesichts des Gedenkens an das Rostocker Opfer der NSU-Morde eröffnete der Präsident der Rostocker Bürgerschaft die Sitzung und gedachte Mehmet Turgut. In Zeiten der Verunsicherung vieler Menschen ist dies aus unserer Sicht eine würdige Eröffnung, da nicht vergessen werden sollte, welchen Geistes Kind die Attentäter waren.
Auf der Sitzung waren nur 44 Bürgerschaftsmitglieder anwesend und es wurden mehrere Themen vertagt. Dies betrifft den Antrag des OBR KTV zum Schutz der Bäume in der Maßmannstraße, sowie Anträge des BSW zur Stärkung der Ortsbeiräte, Liveübertragungen der Rostocker Bürgerschaft, Anpassungen bei den Schülerausweisen sowie die Aufhebung der Zielstellung zur Klimaneutralität bis 2035.
Auf Antrag der FDP diskutierten wir die mögliche Abschaffung des Rostocker Gestaltungsbeirates. Dieses Gremium wurde einst eingeführt, um bei Bauprojekten in der Stadt einen Blick über den Tellerrand zu ermöglichen. Auch sollte so eine informelle Veto-Funktion geschaffen werden: Anlass der Gründung des Gestaltungsbeirates war die Errichtung eines höchst unschönen Parkhauses am Rostocker Stadthafen. Für die SPD-Fraktion sprach Carmen Botezatu und machte klar, dass für uns die Vorteile des Beirates sehr deutlich gegenüber den Nachteilen überwiegen. Durchaus teilen wir die Kritik, dass durch den Beirat viele Projekte verzögert werden und aktuell eine informelle Veto-Wirkung des Beirates gegenüber der Stadtverwaltung besteht. Allerdings resultiert diese eher aus dem Handeln von Teilen just jener Stadtverwaltung, sich hinter den Voten des Beirates zu verstecken, auf dass der Unmut für unliebsame Entscheidung nicht sie selbst träfe. Auch zeigen Beteiligungsprozesse mit der Bevölkerung – wie beispielsweise das Studio Südstadt zur Schaffung eines verbindlichen Rahmenplans zur Entwicklung des Stadtteils – sehr deutlich, wie stark die Stadtverwaltung von externer Expertise profitieren kann. Der Antrag wurde mit großer Wirkung abgelehnt.
Den Trend anderer Kommunen Mecklenburg-Vorpommerns aufgreifend, beantragte die AFD die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsmöglichkeiten für Asylbewerbern. Dies nahm die CDU zum Anlass, über einen Änderungsantrag die vermeidlichen Möglichkeiten für Arbeitsmöglichkeiten deutlich auszuweiten. Die Sachlage entwickelte sich somit analog zu Szenarien, die wir beispielsweise in der Landeshauptstadt Schwerin gesehen haben. Hier wurden Bürgergeldempfänger und Asylbewerber gleichermaßen zur Arbeit zwangsverpflichtet. Soweit ging die CDU in Rostock dann doch nicht und leitete ihr Vorhaben eher aus Fragen der Teilhabe und Integration dieser Menschen in die Gesellschaft her. Dennoch bleibt es dabei, dass Menschen de facto gezwungen werden für einen Stundenlohn von 80 Cent zu arbeiten. In einem fast zehnminütigen, leidenschaftlich geführten Plädoyer gegen den Antrag erklärte der zuständige Senator die rechtlichen Hürden und gesellschaftlichen Auswirkungen solcher Maßnahmen. Dies kann jederzeit im Livestream nachgeschaut werden. Direkt im Anschluss sprach Steffi Manske von der SPD-Fraktion und richtete den Blick darauf, dass Arbeit immer auch ein Faktor der sozialen Absicherung sein sollte. Die Anträge haben hier zur eine Wirkung: Statt die Kraft auf eine vernünftige Qualifizierung der Menschen zu richten, sollten diese in äußerst schlecht bezahlte Jobs fließen. Billige Arbeitskräfte wären das Ergebnis, was wir schon in den späten 1990ern gesehen haben. Viele Menschen, die damals als ABM-Kräfte arbeiteten, stehen bis heute vor gravierenden Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt und hatten nie die Chance zum Aufstieg. Ein lebenslanger geringer Lebensstandard und extrem geringe Renten sind das unweigerliche Ergebnis. „Nicht über Gefühle reden, sondern über Sachverhalte“, das forderte der Vorsitzende der Grünen Fraktion, was wir ganz klar unterstreichen. Leider glitt die Debatte immer mehr ins Allgemeine ab, so dass nach 30 Minuten der unweigerliche Antrag auf Ende der Debatte gestellt wurde. In der anschließenden Abstimmung lehnte eine breite Mehrheit den Antrag ab.
Um die Thematik endlich in einen vernünftigen Rahmen zu bringen, beantragte die Linke eine Beauftragung der Oberbürgermeisterin zum Hinwirken auf Änderungen in landespolitischen und bundespolitischen Rahmenbedingungen zur echten Integration der Asylbewerber in den Arbeitsmarkt. Ergänzt wurde dies durch einen Änderungsantrag der FDP, der mehrere kommunalpolitische Aspekte hinzufügte. Wir sind der Auffassung, dass die Summe beider Anträge eine deutliche Verbesserung der Situation bewirken kann. Daher unterstützten wir diese. Leider wirkte die letzte Debatte auch hier nach, so dass sich ähnliche Abstimmungsgruppen abzeichneten – Diesmal aber mit geänderten Ja-Nein-Richtung, womit die Anträge angenommen wurden.
Wohl gesättigt befassten wir uns nach der Pause mit dem Antrag der Linken zur Zwangsenteignung des Südstadt-Centers und des Klenow-Tors. Zu unserem Bedauern vermischt die Linke hier rechtlich nötige und mögliche Zwangsmaßnahmen der Kommune mit weltanschaulich sehr bedenklichen Aspekten der Zwangsenteignung. Die sehr belastende Situation der Menschen steht außer Frage. Jeden Tag erreichen uns Bilder und Berichte zur Vermüllung, Schäden und Dreck. Hier gilt es schnell Abhilfe zu schaffen, die mitunter auch beim Inhaber erzwungen werden müssen. Eine Zwangsenteignung ist jedoch ein sehr langer Prozess, der in jahrelangen gerichtlichen Verfahren erstritten wird. Neben einem zeitlichen Verzug kommen dann auf die Hansestadt Rostock erhebliche Gerichtskosten zu, was exakt das Gegenteil bewirken wird. Mit einem glücklicherweise ebenfalls vorliegenden Änderungsantrag der anderen demokratischen Fraktionen wurde dann aber eine vernünftige Beschlusslage ohne Aspekte der Zwangsenteignung geschaffen, die den kommunalen Ordnungsdienst als niedrigschwelligen Ansprechpartner vor Ort stärkt, die Beleuchtung im Umfeld verbessert und die Erhöhung von Sauberkeit und Ordnung durch verstärkte Müllbeseitigung auf Kosten des Vermieters auf den Weg bringt. Dieser Änderungsantrag wurde mit großer Mehrheit angenommen.
Faszinierender Weise setzte sich die ausgeprägte Diskussionsmoral der Bürgerschaft auch bei den vermeidlich „kleineren“ Themen der Sitzung fort. Ein Antrag zur öffentlichen Nutzung der Toiletteninfrastruktur in der Stadtbibliothek sorgte für detailreiche und unfreiwillig komische Wortmeldungen. Sandra Wandt aus unserer Fraktion bemühte sich, das Thema wieder auf eine sachliche Ebene zu ziehen. Fakt ist, dass die Kapazitäten der Stadtbibliothek nicht für den öffentlichen Gebrauch ausreichen. In den Fachausschüssen wurde sehr deutlich gemacht, dass der Sanierungsstand der Stadtbibliothek nicht ausreicht, um einem solchen Andrang nachzukommen. Schon jetzt werden die Toiletten regelmäßig wegen Verstopfung und Verdreckung gesperrt. Die unter hohem Druck und Leidenschaft geführte Debatte endete schließlich in der Ablehnung des Antrags.
Nach intensiven Diskussionen zum Drug-Checking widmeten wir uns den Fragen für temporäre Ausnahmeregelungen zum zonenübergreifenden Bewohnerparken in der Innenstadt. Angesichts einer erhöhten Bauintensität im gesamten Innenstadtbereich soll so Abhilfe geschaffen werden, versicherten die Antragssteller, damit die PKWs besser ausweichen könnten. Wir stehen dieser Argumentation skeptisch gegenüber. Schließlich kehrt die Thematik immer wieder auf den Beschlusstisch zurück, ohne dass eine signifikante Verbesserung eintritt. Auch schaden wir so den Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadtteile, da Parkflächen durch den Besucherverkehr blockiert werden, ohne dass es Abhilfe geschaffen wird. Anke Knitter brachte es auf den Punkt: Die Stellungnahme der Verwaltung „Wir nehmen den Prüfauftrag an“ ist hier mehr als dürftig. Daher berichtete sie aus dem Ausschuss, in dem die zuständigen Stellen der Verwaltung dann doch etwas ausführlicher antworteten und sehr klar machten, dass eine sinnvolle Moderation des damit folgenden Verkehrschaos nicht möglich sei. Zumal nicht klar ist, wer überhaupt die Prüfung erledigt. Nach einer etwas chaotischen Auszählung wurde der Kern des Antrags zu unserem Bedauern angenommen.
Spätestens mit Aufruf der beiden Anträge zur Prüfung der Verpackungssteuer ab 20 Uhr zerstörte schließlich die Hoffnung ein halbwegs zeitiges Ende der Sitzung. Denn beide Anträge standen in klarer Konkurrenz zueinander. Die Linken zielten auf eine Reduzierung der Verpackungsmaterialien ab und strebten eine Steuerungsfunktion über die aus der Verpackungssteuer resultierenden Mittel an. Jene könnten zur Beseitigung der Vermüllung eingesetzt werden, hieß es. Dem entgegen stellte sich der Antrag der FDP, die ein fatales Signal an die Wirtschaft befürchtet. Angesichts steigender Unternehmensinsolvenzen in Rostock pochte die Fraktion auf verlässliche Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche Entwicklung und zweifelte den Nutzen der Verpackungssteuer zur Reduktion der Vermüllung an. Hierzu verwiesen sie auf die Ergebnisse ähnlicher Versuche aus Tübingen. Den Antrag zur Einführung der Verpackungssteuer lehnten wir ab, da wir die Kritik zum tatsächlichen Nutzen teilen. Somit entfällt die angedachte Steuerungswirkung. Den Versuch der FDP, ein Gegengewicht zum Antrag der Linken zu schaffen, begrüßten wir daher generell. Da jedoch die Antragssteller die Gelegenheit nutzten, weitere Forderungen zur Entlastung von lokalen Gewerbetreibenden im Antrag zu verpacken, lehnten wir den Antrag ebenfalls ab. Am Ende wurden beide Anträge abgelehnt.
Zum ersten Mal seit Langem ging die Bürgerschaft in eine zweite Pause, um sich dann gegen 21.30 Uhr (ca. 5,5 Stunden nach Beginn der Sitzung) mit der Änderung der Strandsatzung auseinanderzusetzen. Vor allem die Frage, ob nun im FFK-Bereich ein Nacktheits-Zwang bestünde, erregte viele Gemüter. Klar ist, dass für die FKK-Tradition ein besonderer Schutz herrschen soll – Vor allem für Frauen und Kinder sind Bedingungen zu schaffen, in der sie dieser nachgehen können. Verblüffend intensiv wurde die kleinteilige Abgrenzung von Text- und FKK-Baden diskutiert, welche durch die beiden verfügbaren Strandvögte nicht durchgesetzt werden können. Eine Mehrheit der Bürgerschaft stärkte diese Schutzwirkung und folgten den Vorschlägen diverser Änderungsanträge zur klaren Differenzierung der Strandabschnitte.
Gegen 22 Uhr hießt es dann: Feierabend! Wir wünschen eine Gute Nacht.
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